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Schwere chronische, nicht-übertragbare Krankheiten schränken Kinder und Jugendliche nicht nur gesundheitlich ein. Damit Kinder wie Tawonashe in Zukunft früher untersucht und kontinuierlich behandelt werden können, baut SolidarMed das Projekt in Simbabwe aus und schafft unter anderem eigene Abteilungen in Spitälern für die jungen Patient:innen.
Simbabwe «Aufgrund der Spital- und Medikamentenkosten hatten wir irgendwann kaum noch genug Geld für Nahrungsmittel für die ganze Familie. Unsere Monatslöhne von zusammen ungefähr 250 Franken sind nicht genug, um gleichzeitig die fünfköpfige Familie zu ernähren und die Spitalrechnungen zu zahlen», erinnert sich Stella Magura, die Mutter von Tawonashe, an die Zeit, bevor ihr Sohn Teil des SolidarMed-Projektes war. Der heute zehnjährige Junge hatte schon seit Geburt viele medizinische Probleme, so dass er Dauergast im Spital war. Obwohl seine Symptome jeweils so gut wie möglich behandelt wurden, konnte nie eine richtige Diagnose gestellt werden.
Als der Junge neun Monate alt war, waren bereits drei Familienmitglieder an der Sichelzellkrankheit gestorben, erzählte seine Tante, die als Pflegefachkraft arbeitet. Auch Tawonashe wurde positiv auf die Hämoglobinerkrankung getestet. Das erklärte seine Schwierigkeiten beim Atmen, die Gelbsucht, seine Abgeschlagenheit und chronischen Körperschmerzen.
Nachdem Tawonashe die Diagnose erhalten hatte, begann im Masvingo- Provinzspital seine Behandlung. Die Aufenthalte im Krankenhaus wurden seltener und er hatte weniger Schmerzen. Doch in der Spitalapotheke waren die Sichelzellmedikamente oft nicht verfügbar, so dass seine Eltern sie für mindestens 25 Franken im Monat in einer privaten Apotheke kaufen mussten. Manchmal fehlte das Geld, und Tawonashe bekam keine oder zu wenig Medizin. Er wurde immer wieder hospitalisiert, weil er Schmerzen hatte, nicht richtig atmen konnte oder Blutarmut aufwies. Dazu wurde bei ihm 2022 noch die Diagnose Diabetes Typ 1 gestellt.
Aufgrund fehlender Geräte, Medikamente und ausgebildeten Gesundheitspersonals werden Menschen mit schweren chronischen, nicht-übertragbaren Krankheiten in Simbabwe oft weder korrekt diagnostiziert noch behandelt. Bluthochdruck, Diabetes, Krebs oder Atemwegserkrankungen sind nicht-übertragbare Krankheiten, die zusammen für einen Drittel der Todesfälle im Land verantwortlich sind. Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten gibt es oft nur in städtischen Zentren, was den Zugang für die arme Landbevölkerung unmöglich macht.
Für Kinder sind chronische Krankheiten gleich zweifach schwierig. Einerseits leiden sie unter den gesundheitlichen Problemen, andererseits werden ihre Zukunftschancen eingeschränkt, weil sie Schulzeit verpassen und Schwierigkeiten haben, am sozialen Leben teilzunehmen und später Teil der Gesellschaft zu sein. Die meisten Bestrebungen in diesem Bereich haben aber Erwachsene als Zielgruppe.
Auch das Projekt von SolidarMed setzt erst bei den Erwachsenen an. Zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Organisation Partners in Health wird darauf hingearbeitet, schwere nicht-übertragbare Krankheiten in der medizinischen Grundversorgung zu verankern. Die Initiative soll mittels standardisierter Programme genügend und geeignete Medikamente, Technologien und Diagnosemöglichkeiten zur Verfügung stellen. Damit soll die Lebensqualität der Patient:innen verbessert und die Anzahl neu Betroffener reduziert werden.
Nachdem SolidarMed verschiedene Gesundheitseinrichtungen untersucht hatte, wurde klar, dass sich sowohl das Gesundheitsministerium wie auch andere Organisationen vor allem auf ansteckende Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria oder HIV konzentrieren. SolidarMed baut nun zusammen mit dem Ministerium für Gesundheit und Kinderbetreuung das Programm in vier Stufen auf: Als Erstes hat SolidarMed entsprechende Abteilungen im Masvingo-Provinzspital, im Mashoko- und Ndanga-Distriktspital aufgebaut. Dazu wurden die Räume renoviert und spezialisierte Diagnosegeräte angeschafft. Bis jetzt werden in den drei Kliniken über 500 Personen für Krankheiten wie Herzfehler, Typ-1-Diabetes, Asthma, Epilepsie und Sichelzellkrankheit behandelt. Einer dieser Patient:innen ist Tawonashe.
Im Masvingo-Provinzspital, in dem auch der Junge diagnostiziert und behandelt wird, wurden als Zweites Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen. 45 Gesundheitsfachkräfte lernen hier, wie diese nicht-übertragbaren Krankheiten behandelt werden. Neben der nationalen Weiterbildung in Masvingo wurden auch zweiwöchige klinische Praktikumsprogramme ins Leben gerufen. Damit werden den Pflegenden und Assistenzärzt:innen praktische Erfahrungen ermöglicht. Ein wichtiger Teil der Weiterbildung ist, den Teilnehmenden eine wertfreie Sprache mitzugeben und die Patient:innen darin zu bestärken, langfristig die Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen.
Um die Verbesserungen messen zu können, wird Ende dieses Jahres untersucht, wie sich die Versorgung der Betroffenen verändert hat und wie es um die Machbarkeit und Akzeptanz in den Spitälern steht. Mit diesen Informationen werden SolidarMed und die Gesundheitsbehörden Schlüsse darüber ziehen können, wie das Programm am besten in weiteren Umgebungen Simbabwes eingeführt werden kann. Ziel ist es, zusammen mit Partnerorganisationen wie der Clinton Health Access Initiative (CHAI) einen Plan zu entwickeln, um das Programm sogar auf nationaler Ebene auszurollen.
Seit vergangenem Juni wird Tawonashe dank SolidarMed im Masvingo-Provinzspital behandelt. Er profitiert nun von konstanter Medikation wie Insulin, Schmerzmitteln und Medizin gegen seine Sichelzellkrankheit. Dabei sind Labor- und Röntgenuntersuchungen und das generelle Gesundheitswissen des ausgebildeten Pflegepersonals entscheidend. «Ich dachte immer, die Sichelzellkrankheit sei sein Todesurteil, aber jetzt haben wir Hoffnung», betont Tawonashes Mutter.
Damit möglichst viel Gesundheitspersonal das nötige Wissen hat, um mehr Kinder wie Tawonashe zu behandeln, baut SolidarMed bis Ende Jahr die zwei anderen Spitäler so aus, dass sie Praktikas anbieten können. Gleichzeitig legt SolidarMed mit dem Ausbau des Projekts ein besonderes Augenmerk auf die jungen Patient:innen, denn diese Gruppe mit ihren spezifischen Bedürfnissen wurde bisher vernachlässigt.
Die Projektspitäler werden nun darin gestärkt, diese schweren chronischen Krankheiten schon früh zu erkennen und zu behandeln. Ausserdem werden eigene Abteilungen eingerichtet, in denen die Kinder und Jugendlichen unter sich sind und sich wohl fühlen. Damit sollen auch potenzielle Ansteckungen vermieden werden. Der Ausbau ist ein Beitrag zu einer gerechteren Gesundheitsversorgung. Eine Initiative, die zum Ausbau gehört, sind die Diabetes-Camps für Kinder und Jugendliche. Und vielleicht, in einigen Jahren, wird Tawonashe gleich selbst hier arbeiten: «Danke! Mein Traum, Arzt zu werden, wird wegen Euch in Erfüllung gehen», freut sich der Zehnjährige.
Simbabwe
Einwohner:innen: 16,3 Mio. (CH: 8.7 Mio)
Armutsrate (unter 2,15 $/Tag) 39,8 % (CH: 0 %)
Lebenserwartung: 59 Jahre (CH: 83 Jahre)
Neugeborenensterblichkeit: 25/1000 (CH: 2,7/1000)
Ein Arzt oder eine Ärztin versorgt 5550 Menschen (CH: 225)
PEN-Plus
Das Projekt PEN-Plus (PEN: Package of Essential Non-Communicable Diseases; das Plus legt den Fokus auf die schweren Krankheiten) ist ein Programm der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das nicht nur Krankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes umfasst, sondern auch andere nicht-übertragbare Krankheiten wie Epilepsie, Sichelzell-, Herz- oder Atemwegserkrankungen, die manchmal bereits Kinder betreffen und deren Folgen tödlich sein können.
Sichelzellkrankheit
Gemäss WHO beschreibt die Sichelzellkrankheit eine genetisch vererbte Veränderung der roten Blutkörperchen von einer glatten, donutförmigen Form in eine Halbmondform. Die falsch geformten Zellen können kleine Blutgefässe blockieren, was den Blutfluss beeinträchtigt.
Deshalb überleben die roten Blutkörperchen weniger lange, was zu Blutarmut führt. Der geringe Sauerstoffgehalt im Blut und die verstopften Blutgefässe können zu chronischen akuten Schmerzen, schweren bakteriellen Infektionen und zum Absterben von Gewebe führen. Frühe Diagnose und entsprechende medikamentöse Behandlung verschaffen den Betroffenen Linderung. Die Krankheit kommt vorwiegend in afrikanischen Ländern vor. Es scheint, als ob Träger:innen der Sichelzellkrankheit vor Malaria geschützt sind. Patient:innen mit einer Sichelzellkrankheit-Diagnose sind nicht nur die Zielgruppe des PEN-Plus-Projekts in Simbabwe, sondern auch des SolidarMed Projekts in Kenia.
Über SolidarMed
SolidarMed (www.solidarmed.ch) engagiert sich für die Gesundheit der Menschen in ländlichen Regionen des südlichen und östlichen Afrikas und in Hyderabad, Indien, und konzentriert sich auf fünf Themenschwerpunkte: Schutz von Mutter und Kind, Bekämpfung von Infektionskrankheiten, Ausbildung von Gesundheitspersonal, Stärkung von Spitälern sowie Dorfgesundheit und Sensibilisierung. Die Projekte entstehen in enger Zusammenarbeit mit lokalen Partnern wie Spitälern, Gesundheitszentren und Behörden. In der Schweiz schafft SolidarMed ein Bewusstsein für die gesundheitliche Lage der Menschen im ländlichen Afrika und in Indien.